Die Schulbehörden im Kanton Bern registrieren eine steigende Zahl an Mobbingfällen. Die Zunahme von suizidgefährdeten Kindern und Jugendlichen aufgrund von Mobbing und Gewalt alarmiere Psychiater, Polizei und Erziehungsberatungen. Mobbing ist in der Schweiz ein vergleichsweise grosses Problem. 2018 gaben 13 Prozent der befragten Schweizer Jugendlichen an, im vergangenen Jahr mehrmals pro Monat gemobbt worden zu sein. Der Mangel an Lehrpersonen ist ein möglicher Grund dafür.

Systematisches Ausschliessen von der Gemeinschaft über längere Zeit kann bei Kindern lange nachwirken. Insbesondere, wenn dazu Peinigungen und Demütigungen kommen. Bettina Dénervaud, Leiterin der Fachstelle Hilfe bei Mobbing für Schulen und Eltern, erzählt von einem Buben, der seit der zweiten Klasse ignoriert und gehänselt wurde. Später habe er angefangen, sich zu ritzen. Wegen Suizidgefahr musste er in eine Klinik. Zwar hörte das Mobbing in der Oberstufe auf. „Aber er war so geprägt von seinen Erfahrungen, dass er jeden schrägen Blick oder ausbleibenden Gruss als persönlichen Angriff empfand.“ Das zeige, wie Mobbing das Verhalten mancher Betroffenen so stark verändere, dass sie sich kaum in eine Gruppe integrieren könnten.

Expertin Bettina Dénervaud kennt viele verfahrene Situationen. Sie plädiert für mehr Prävention. „Schon Kindergartenkindern kann man Geschichten erzählen von einem Kind, das einen schönen Tag in seiner Klasse erlebt. Und von einem, das sich unwohl fühlt, weil die anderen kichern und es hänseln.“ So lernen Mädchen und Buben Empathie.

Damit die Schweiz nicht weiter das europäische Schlusslicht bildet, fände sie ein landesweites Konzept wichtig. Alle Schulen sollten wissen, wie sie Mobbing möglichst von Anfang an verhindern – zum Beispiel durch gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern erstellte Verhaltensregeln – und sie sie bei einem Mobbingfall richtig reagieren – mit konsequenter Nulltoleranz.

Lehrpersonen, SchulleiterInnen, SchulsozialarbeiterInnen, Schulpsychologen/-psychologinnen und anderen pädagogischen Fachkräften in der Schule (und Jugendarbeit) empfiehlt die Fachstelle Hilfe bei Mobbing die Tagesfortbildung zum Thema Mobbing mit Schwerpunkt „No Blame Approach“ – ein „aus der Praxis, für die Praxis“ systemischer Ansatz, der Mobbing zielgerichtet innert 2-3 Wochen stoppt. „Schulen, welche mit diesem Ansatz arbeiten, haben generell weniger Mobbingfälle als Schulen, welche kein einheitliches Mobbing-Konzept aufweisen“.

Zum Zeitungsartikel